Interview mit Ex-Jungadler-Trainer Frank Fischöder

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Durch das Interview führt Bernd Rothacker


Hallo Frank,

zunächst herzlichen Glückwunsch zu Deiner Promotion als Chefcoach bei den Nürnberg Icetigers und schönen Dank, daß Du Dich zum Abschluss Deiner überaus erfolgreichen Tätigkeiten bei den Jungadlern für ein paar Fragen zur Verfügung stellst.

Du kommst gerade  von der Sporthochschule in Köln, ist das Trainerdiplom schon absehbar?

FF: Voraussichtlich im Oktober; derzeit schreibe ich noch an meiner Diplomarbeit.
 

Vor kurzem weiltest du noch bei einem U18 Lehrgang der Nationalmannschaft mit abschließenden, erfolgreichen Länderspielen in der Schweiz:  War dies Deine letzte Tätigkeit bei der Jugend bzw. für den DEB?

FF: Die Zeit beim DEB war für mich eine sehr schöne und mit dem Wiederaufstieg auch erfolgreiche Zeit. Bei der jetzigen Situation mit meinem neuen Job muss man halt abwarten, in welcher Form da noch eine Mitarbeit weiterhin möglich ist; die Lust wäre schon noch da.

Du wechselst ja als Headcoach in die DEL nach Nürnberg; daher müssen wir unbedingt  mit Dir zusammen auf Deine äußerst erfolgreiche Zeit von fast 19 Jahren bei den Jungadlern zurück blicken:

FF: Als mich damals Helmut de Raaf gefragt hat, ob ich Lust hätte, als sein Ko-Trainer nach Mannheim zu kommen, war dies für mich natürlich eine tolle neue Herausforderung zum Neuaufbau. Am Anfang gab es ja nur die U19, mit der wir aber dennoch 2001 gleich die erste Meisterschaft geholt haben. Danach haben wir gemeinsam das Grundschulprojekt aufgebaut, um das Spielerreservoir zu vergrößern, dann kam die Schüler-Mannschaft hinzu usw. bis wir heute durchgehend alle Leistungsstufen von der Laufschule bis zur DNL aus einer Organisation heraus betreuen. Insofern war das eine total spannende Aufgabe und dabei kam mir als relativ jungem Trainer auch die fortwährende Zusammenarbeit mit anderen internationalen Co-Trainern zu Gute. Alles in Allem eine Zeit, die man als junger, neugieriger Trainer nicht missen wollte. Dazu kam  die Unterstützung durch die Dietmar-Hopp-Stiftung, welche die Bewältigung dieser strukturellen Anforderungen erst ermöglicht hat.  

Kannst Du vielleicht noch einmal kurz die  grundlegende Philosophie des Eishockey-Leistungszentrums (Zusammenarbeit mit Schule, Eltern, Internat) erläutern, die Euch durch diese äußerst erfolgreiche Zeit begleitet hat.

FF: Wir hatten stets einen ganzheitlichen Ansatz; nicht nur die sportliche Entwicklung der Jugendlichen im Auge zu haben, sondern eben auch eine eigene Persönlichkeit entstehen zu lassen, die allen Herausforderungen des Lebens gerecht werden kann. Dies impliziert einerseits eine gute Schul- bzw. Berufs-ausbildung, andererseits darf man dabei auch nicht zu früh selektiv vorgehen, obwohl der Leistungsgedanke selbstverständlich immer vorhanden sein muss.

Wie war für Dich der Übergang von den Schülern auf die de Raaf-Nachfolge bei der U19 bzw. nun U20?

FF: Für De Raaf war damals die Situation ähnlich wie für mich heute: Du hast schon über Jahre erfolgreich in deinem Metier gearbeitet und plötzlich tut sich die Chance auf, etwas Neues anpacken zu können. Dann musst du dich entscheiden, ob du diese neue Herausforderung annehmen willst – Helmut ist dann konsequenterweise als Co-Trainer zu „Red Bull“ gegangen.
Nachdem ich schon 5-6 Jahre lang die Schüler verantwortlich betreut hatte war dann der Schritt zu der DNL nicht mehr so riesengroß, da wächst man dann ein Stück weit auch mit hinein.

Wie ließ sich die Hauptaufgabe der Spielerentwicklung verwirklichen, während ihr auch immer als Mannschaft gut & erfolgreich Eishockey gespielt habt?

FF: Dies waren aus meiner Sicht auch die Früchte einer natürlichen Entwicklung. Wir hatten immer sehr talentierte Spieler in unseren Reihen – teilweise auch „over the top“-Jungs; und wenn man dann kontinuierlich hart mit denen arbeitet, kommen automatisch auch die Ergebnisse.

Sind Euch die guten Spieler in Mannheim eigentlich dann meistens „zugelaufen“?

FF: Nun, es mag sein, dass wir früher so etwas wie ein Monopol auf gute Nachwuchsbildung in Mannheim hatten, aber die Zeiten haben sich grundlegend geändert. Mit der „Red Bull-Akademie“ in Salzburg ist da ein ernst zu nehmender Konkurrent erwachsen.

Wie zufrieden warst du mit  den Gegebenheiten in Mannheim? Was hätte strukturell noch besser sein können?

FF: Nein die Bedingungen in Mannheim waren schon optimal; aber was uns schon immer ausgemacht hat, ist die Tatsache, mit diesen günstigen  Bedingungen auch zu arbeiten. Dies ist eher eine Frage der Mentalität aller Trainer bei den Jungadlern, die mit ihren Mannschaften jeweils einen Weg gefunden haben, erfolgreich zu arbeiten. Man darf nie zufrieden sein.

Traust Du also auch deinem Nachfolger zu, die Arbeit mit der U20 erfolgreich fort zu setzen?

FF: Da wir alle in der Organisation mit einer durchgehenden Spielidee und Philosophie zusammen gearbeitet haben, sehe ich da keinerlei Probleme. Hinzu kommt, dass die flachen Hierarchien auch die unterschiedlichen Erfahrungslevel der Trainer durchlässig machen, sodass letzten Endes alle davon profitieren können.

Wenn man bei Euch durch den Kabinengang läuft, begegnen einem an der Wand verewigt die unzähligen ehemaligen Jungadler, die sich inzwischen in der Eishockeywelt als Profi einen Namen gemacht haben.
Welches waren aus Deiner Sicht  die größten Talente, die durch Deine Hände gegangen sind?

FF: Schwierig zu sagen, weil ich glaube, dass wir keinen Spieler hatten, der nicht talentiert war. Im Gegenteil – ich glaube, das jeder das Optimum aus seinem Talent herausgebildet hat. Alle Jungs waren charakterstark und haben ihren Weg gemacht; sei es als Profi oder im Beruf und im Leben. Klar ist es schön, erfolgreiche Eishockeyspieler (von Dennis Seidenberg über Leon Draisaitl bis Tim Stützle) dabei gehabt zu haben. Aber dies ist doch nicht alles; es geht auch darum, keine eindimensionale Denker, sondern Menschen mit „offener“ Lebenshaltung zu entwickeln, die später alleine in der Lage sind, richtige Entscheidungen zu treffen.  Entscheidend ist dabei, dass jeder das Beste aus dieser Organisation mitgenommen hat und aufgrund seines Wissens aus dem Sport am Ende im Leben Karriere gemacht hat. Denn das ist es, was wir am Ende für alle wollten und  was uns dann auch letztlich zufrieden stellt.

Wie wichtig war aus Deiner Sicht die Zusammenarbeit mit dem übrigen off-ICE Staff (Assistenten, Betreuer, Physios, Doc etc.)?

FF: Da sind Strukturen im Laufe der Zeit entstanden, die sich als ganz belastbar erweisen. Wichtig ist, dass jeder seine Aufgabereiche kennt und auch wahrnimmt.

Welche der zahlreichen  Meisterschaften war für Dich die schönste?

FF: Wenn man alle Umstände zusammen nimmt, war vielleicht die Meisterschaft nach dem Weggang von Helmut de Raaf die emotionalste. Wie großartig damals Marc Michaelis und Dorian Säftel die relativ kleine und junge Truppe (fast der gesamte 95er Jahrgang war ja auf einmal weggebrochen) geführt haben, war schon einzigartig und sehr berührend.

Was ist das Erfolgsrezept?

FF: Die Qualität in der Entwicklung zu haben und konsequente Arbeit! Voraussetzung ist jedoch: Der Trainer muss seinen Jungs vertrauen und umgekehrt die Mannschaft in die Arbeit des Trainers – also gegenseitiger Respekt und Vertrauen. Dazu gehört ebenso eine klare innere Struktur, ein Umfeld, welches nach außen geschlossen auftritt und auch dieselbe Philosophie vertritt. Ständige Kommunikation und Zielorientierung gehören ebenfalls dazu.

Was nimmst du persönlich für Dich mit aus dieser doch langen, erfolgreichen Zeit?

FF: Alles (lacht dabei)! Angefangen von den Erfahrungen als Co-Trainer mit rund-um-die-Uhr Betreuung des Internats, den Aufbau des Grundschul-Konzepts, die Möglichkeit, sich in verschieden Bereiche einarbeiten zu können, Vorträge zu halten über Motivation & Team Building, die Organisation auch zu führen, seine Ideen ziemlich frei durchsetzen zu können.  Also die gesamte Entwicklung als Trainer, dazu die Offenheit und Neugier, was Neues auszuprobieren und ggf. auch wieder zurück zu drehen, wenn es nicht funktioniert hat. Dazu die vielen internationalen Spiele und Turniere, die Erfahrungen beim DEB.

Ein kleiner Blick in die Zukunft: Nimmst Du nun auch Spieler mit nach Nürnberg?

FF: Nein. Ich treffe aber dort auf die ehemaligen Jungadler Tim Bender & Jo Ramoser.

Was weißt du persönlich über Tim Stützle und seinen weiteren Weg in die NHL?

FF: Ich gehe davon aus, dass die Drafts im vorgesehenen Zeitpunkt stattfinden und dass dann die gezogenen Spieler auch Verträge unterschreiben können. Über die juristische Auslegung dieses Globalvertrags mach ich mir keine Gedanken.

Wie schätzt du die neu aus den Jungadlern aufgerückten Profis (Preto, Valenti, Klos + Brune, sowie  Arno Tiefensee, Florian Elias,)  in diesem Jahr ein?

FF: Das Potential dazu, DEL zu spielen, haben die alle! Die Frage ist eher: hat Mannheim Geduld mit den Jungs, sind sie die richtigen Spieler für Mannheim, haben die Jungs genügend Ehrgeiz, sich in ihrem ersten Profivertrag auch durch zu setzen? Es liegt jetzt an den Jungs, sich in so einer Organisation wie Mannheim durch zu beißen. Außerdem müssen auch die Fans genügend Geduld mit den Spielern aufbringen. Es gibt also genügend unbekannte Faktoren in dieser Konstellation.

Lass uns noch einen Blick in die Zukunft riskieren, die ja auch für Dich DEL heißt:  

Was bedeutet die Ungewissheit über den sehr späten Starttermin für eine vernünftige Saisonvorbereitung?

FF: Wie geht man damit um? Wir sind alle in einer Situation, die wir nicht kennen und die wir auch nicht beeinflussen können. Wenn also die Liga sagt: wir starten am 13.11. dann ist für mich der Start am 13.11.
Wenn am 15.September die Regierung sagt, da ist keine Start, dann eben nicht. Also müssen wir alle auf die jeweilige Situation reagieren; alles andere ist ein Blick in die „Glaskugel“.
Interessant ist für mich, dass die Schweiz schon im Oktober mit Zuschauern spiel will.

Kannst Du Dir eine Spielzeit quasi „ohne Zuschauer“ vorstellen?

FF: Im Jungadlerbereich werden wir eher Spiele sehen als im Profibereich, da hier die Abhängigkeit von Zuschauern nicht so gegeben ist.   

Eure neue Philosophie in Nürnberg findet Deutschlandweit große Beachtung. Wie könnt Ihr diese im kurzlebig erfolgs-orientierten Profi-Eishockey umsetzen?

FF: Das wird die Zukunft zeigen! Logischerweise wird niemand glücklich sein, wenn wir 20 Spiele hintereinander verlieren sollten. Klar ist jedoch auch, dass der ganze Club in einem Umbruch steht (von den Sponsoren über den Trainer bis zur Mannschaft und zum Umfeld); sollen wir deshalb selbst unsere Ansprüche herunter schrauben? Das ist doch auch eine große Chance für mich und den ganzen Club. Jeder möchte möglichst viele Spiele in der Saison gewinnen, kein Sportler will gerne verlieren. Also machen wir uns an die Arbeit!  Wir haben im Kader eine gute Mischung zwischen erfahrenen und jungen Spielern; da wird es interessant sein, wie sich die Mannschaft findet. Dies weiß auch die sportliche Leitung und das Management.  Da alle mit Überzeugung dahinter stehen, gehen wir jetzt diesen Weg des Umbruchs gemeinsam.

Was bedeutet das Motto: gib den Deutschen Spielern eine Chance!

FF: Da liegt die Verantwortung zu einem großen Teil auch bei den Spielern selbst! Natürlich wollen wir deutsche Spieler fördern und einbauen. Aber da muss bei denen auch der Ehrgeiz und Biss vorhanden sein, die Spieler zu ersetzen, die vorher da waren; denn diese „Ausländer“ sind bereits durch eine gnadenlose Selektion in Ihren Ligen gegangen und sind deshalb da, wo sie jetzt sind. Also müssen die jungen Spieler mit ihrem ersten Profivertrag dann – erstmals auf sich allein gestellt – diese „älteren“ Profis erst mal verdrängen, dies ist beileibe kein Automatismus! Die jungen Spieler müssen verstehen, dass sie nichts geschenkt bekommen!

Ziehst Du jetzt mit deiner Familie ins schöne Frankenland?

FF: Nein, ich fahre alleine nach Nürnberg. Die Familie bleibt vorerst hier in unserem Haus in der Region wohnen.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke in Dein vergangenes  und zukünftiges Wirken, viel Erfolg mit Deiner neuen Aufgabe! 

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